Die Bretagne-Geschichten haben noch nicht ganz begonnen und schon ein Schlusswort. Für uns hat das Leben in der Bretagne ein Ende. Wir gehen zurück nach Spanien, wo wir bereits über 20 Jahre leben. Warum, weshalb, wieso? Das möchte ich euch sagen.
Aus Verliebtheit wurde keine Liebe
Ja, wir waren total verliebt in die Bretagne, die wir bereits seit 2014 jedes Jahr für einige Monate bereisen. Aber, bekanntlich muss aus der Verliebtheit Liebe werden, soll die Beziehung halten. Und das tat es bei uns nicht. 2022 haben wir die Monate auf dem Grundstück noch sehr genossen. 2023 zogen wir um und meldeten uns in Spanien ab und in Frankreich an. Damit begann für uns eine Geschichte nach der anderen, die die Sehnsucht nach der spanischen Heimat noch größer machten, als sie eh schon war.
Behörden – das ist ja der helle Wahnsinn. Deutsche mag das gar nicht verwundern. Also Deutsche, die bisher in Deutschland wohnten. Wir leben jedoch seit 2001 in Spanien. Auch da fasst man sich natürlich manchmal an die Stirn, denn kein Land und keine Region ist perfekt. Aber nun kannten wir den Unterschied. In Spanien wird es der Bevölkerung schon sehr einfach gemacht – im Vergleich zu Frankreich. Mich hat das Nerven und die Lust auf Frankreich gekostet. Auch die Geschichten mit Enedis, dem Stromnetzbetreiber, bleiben unvergesslich – aber im negativen Sinne.
Ärzte – ein halbes Jahr mit 2 entzündeten Zähnen, weil kein Zahnarzt bereit war, diese zu behandeln. Als ich endlich in Spanien zum Zahnarzt gehen konnte, hatte sich bereits der Kieferknochen entzündet. Irgendwann bekommt man in der Bretagne mit Glück einen Platz beim Zahnarzt – oder auch nicht. Gleiches mit Hausärzten. Und die Bretagne war für uns eigentlich so gedacht, dass wir dort im Alter in Ruhe leben können. Im Alter…wenn die Zipperlein größer werden … und dann die Not einen Arzt zu finden. Nö danke.
Wetter – ok, wir wussten, dass es in der Bretagne viel regnet. Allerdings hatten wir vergessen, wie es tatsächlich ist, wenn wochenlang keine Sonne, dafür viel grauer Himmel und Regen zu sehen ist. Im Oktober begann es zu regnen und als wir Ende November abreisten, hatte sich das nicht geändert. Wir sind es einfach nicht mehr gewohnt, ständig im Haus zu sitzen – und sei das Haus auch noch so gemütlich.
Der Nachbarschaftsstreit nebenan mit einem toten Mädchen
Am 10. Juni 2023 hörten wir abends Schüsse auf dem Nachbargrundstück. Zuerst dachten wir an einen idiotischen Jäger, der zu früh das Halali ausgerufen hat. Aber: Es war ein Nachbar (den wir nicht kannten), der auf unsere direkten Nachbarn schoss. Die ältere Tochter (gerade mal 11 Jahre jung) wurde dabei getötet. Vater lag im Graben mit Kopfschüssen. Mutter lag schreiend-weinend neben ihrer toten Tochter, als wir in den Garten kamen, um zu helfen. Wer mehr lesen will: Klick hier und klick hier.
Wir waren wochenlang wie erstarrt. Aber wir glaubten nach einiger Zeit, dass wir das verarbeitet hätten. Als wir Ende November abreisten, merkte ich, wie die Anspannung abfiel. Nein, es war nicht verarbeitet. Es war jedoch aus unserem Kopf, als wir in Spanien waren. Als es dann auf die Abreise zuging, hatte ich ständig Alpträume und wurde von Schussgeräuschen wach. Es ist für mich ein Angang, wieder dahin zu fahren und dann auch noch dort zu wohnen. Das hätte ich nicht geahnt, obwohl mir meine Therapeutin letztes Jahr sagte, dass ein Trauma auch erst nach Monaten zum Tragen kommen kann. Es scheint bei mir der Fall zu sein. Und ich möchte mich dem nicht weiter aussetzen. Das Leben ist zu kurz für Mutproben dieser Art. Und ich habe überhaupt keinen Nerv dafür, noch einmal durch eine Angstspirale gehen zu müssen. Vielleicht muss ich das gezwungenermaßen irgendwann im Leben doch noch. Aber nur dann, wenn ich an einer Situation selbst nichts ändern kann. An dieser Situation kann ich aber etwas ändern.
Es sind weder Freunde noch gute Bekannte, die dort beschossen wurden. Wären es Freunde, würden wir die Situation nicht verlassen. Und wir, diese Nachbarn und wir, sind uns auch nicht durch diese Situation näher gekommen. Das hätte ja auch gut sein können, denn nicht selten entwickelt sich eine gute Beziehung, wenn man so etwas durchgemacht hat. In dem Fall nicht, da diese Nachbarn sehr zurückgezogen leben und keine Kontakte pflegen möchten.
Gemeinschaft in Spanien
Ein sehr wichtiger Grund für uns, wieder nach Spanien zu gehen. Und der Hauptgrund. Wir haben dort eine tolle Gruppe an Menschen, die uns einfach ans Herz gewachsen sind. Teils kennen wir uns schon seit über 20 Jahren, teils seit 3-4 Jahren. Dazu gesellen sich im Winter die Freunde und Bekannten, die in Spanien überwintern. Nein, das möchten wir nicht missen und das war uns auch von Anfang an klar. Allerdings dachten wir, dass wir es jetzt einfach umdrehen: 2-3 Monate in Spanien und den Rest des Jahres in der Bretagne.
Wir merkten, dass wir das auf diese Weise nicht tun konnten und wollten. Eigentlich wollten wir Anfang März wieder in St. Herbot sein. Aber wir blieben und blieben und wollten bleiben, sodass wir letztlich erst Ende Mai abreisten.
Ja, die Menschen in der Bretagne, die wir bisher kennenlernten (ausgenommen ein deutsches Paar, das die herbe Enttäuschung war), diese Menschen sind klasse, freundlich, hilfsbereit. Und darunter gibt es auch Menschen, die wir bereits sehr sehr mögen.
Dennoch ist das – oder unser – Leben in Spanien ein anderes. Lockerer, freier. Es ist nicht vergleichbar – und keines von beiden ist weder besser noch schlechter. Unsere Herzen schlagen jedoch mehr für die ständig spürbare Lebensfreude in Spanien. Und unsere dortige Gemeinschaft ist so wohltuend, dass wir nicht nur 2-3 Monate dort bleiben möchten. Das ist uns im letzten Jahr und in diesem Winter mehr als klar geworden.
Wir hatten auch überlegt, einfach das Haus in St. Herbot als Zweitwohnsitz zu lassen. Aber hey, wir sind nicht Krösus. Zwei Häuser können wir uns nicht leisten. Und das möchten wir auch nicht, weil es einfach zu viel Ballast ist, was man mit sich rumschleppt. Zudem müsste sich dann jemand viele Monate im Jahr um unser Haus und unseren Garten kümmern. Das ist doch wirklich unnötig. Als wir jetzt nach über einem halben Jahr zurückkamen, war aus dem Garten ein Dschungel geworden. Wie bereits vorher mussten wir uns entscheiden: Spanien oder Bretagne. Die Wahl fiel nun endgültig auf Spanien.
Nach dem ersten Mähtag sah es dann so aus:
Gehen wir hier locker leicht weg?
Nö, es ist nicht so, dass nicht ein wenig Wehmut dabei wäre. Der Garten ist und bleibt ein Traum. Und das Haus ist so gebaut, wie es uns gefällt. Ebenso ist es nicht so einfach, weil die Menschen hier, denen wir letztes Jahr näher kamen, so freundlich sind. Am ersten Tag kamen Jean und Céline und Jean sagte, dass Céline uns vermisst hat. Natürlich fällt es dann nicht leicht, Adieu zu sagen. Aber, wir können uns ja immer wieder besuchen und vielleicht schaffen es die beiden auch mal, nach Spanien zu kommen. Das wäre schön.
Ebenfalls kam Judith am ersten Tag. Das ist eine ältere englische Nachbarin, die wir während des Orkans beziehungsweise auch Tage danach mit Kaffee am Morgen und gekochtem Essen am Mittag versorgt hatten. Sie sagte, dass sie sich sehr freut, uns wiederzusehen, aber ebenso traurig sei, weil wir weggehen. Aber sie kann unsere Entscheidung verstehen. Wir luden sie für den nächsten Tag zum Frühstück ein, worüber sie sich freute. Weiterhin kamen Roland und Michael, mit denen wir zusammen saßen und viel erzählten.
Klar tut es auch weh, hier alles abzugeben. Und nachdem alles an die Maklerin übergeben war, musste ich (Marion) auch erst einmal ne Runde heulen. Ich hoffe, dass die neuen Besitzer (wer immer sie werden mögen) das Haus und den Garten lieben werden. Es ist und bleibt ein schönes Fleckchen.
Abschlusswort
Nein, wir bereuen es nicht, den Versuch gestartet zu haben, in der Bretagne zu wohnen. Wie die engsten meiner Mitmenschen wissen, wollte ich (Marion) bereits seit unzähligen Jahren in der Bretagne wohnen. Das war mein Auswanderungsziel vor Spanien.
Man lernt ein Land (oder eine Region) erst dann richtig kennen, wenn man dort wohnt. Ich war selbst über mich verwundert, dass ich 2023 sooo oft spürte und dachte: „Fühlt sich nicht richtig an“. Und ich war selbst über mich erstaunt, dass ich mich bei der Rückfahrt nach Spanien so erleichtert fühte – und dann der Gedanke beim Grenzübertritt auftauchte: „Endlich wieder zu Hause!“.
Huch, dachte ich, was ist das denn jetzt? Endlich wieder zu Hause? Kann doch nicht sein, dass ich DAS denke und mich bei diesem Gedanken auch noch pudelwohl fühle. Aber ja, genau das ist wahr – und es fühlt sich total richtig an.
Wir werden die Bretagne sicherlich irgendwann weiterhin bereisen, denn im Sommer gehen wir weiterhin auf Tour. Auch mögen wir weiterhin die Natur und die Menschen in der Bretagne. Ebenso mögen wir immer noch den wunderschönen Garten und das Haus. Es ist auch nicht ganz so leicht, den Garten und das Haus abzugeben. Dennoch ist unser Zuhause in Aguilas. Zudem war nach dem Vorfall mit der Schießerei das sichere, geborgene Gefühl nicht mehr vorhanden und aufzubauen, das wir vorher im Garten gespürt hatten. Als wir jetzt hier waren, fing die innere Unruhe und die Nervosität abends an. Länger als 20h30 konnte ich nicht draußen bleiben. Der Vorfall letztes Jahr ereignete sich abends, nachdem wir einen wunderschönen Tag im Garten verbrachten. Irgendwie sitzt das sehr tief.
So schließe ich jetzt hier ab, lasse den Blog noch eine Weile bestehen, um ihn irgendwann ganz abzuschalten – und mit diesem Kapitel abzuschließen.
Seid gegrüßt und bleibt gesund, munter und fröhlich – und lasst eure Herzen sprechen
Marion, Gerd und Emma